Sonntag, 19. Oktober 2008

Zauberhafter Diakon - Aus der Kirche in das Reich der Magier



Zauberhafter Diakon

Aus der Kirche in das Reich der Magier


Ein Diakon sattelt um: Aus der Kirche in das Reich der Zauberei, aus Theologie undPädagogik zu märchenhaften Geschichten mit Pädagogik. Stefan Köhler aus der evangelischen Gemeinde Walle, Jugendarbeiter und geistiger wie praktischer Vater des dortigen "Circus Spektakel", hat sich auf den Weg gemacht, sein Brot als "Dino, der Zauberer" zu verdienen. Dies geschieht nicht ganz freiwillig: die Gemeinde kann ihn nicht mehr bezahlen. "Es sind die Sachzwänge, die uns zu diesen Schritten getrieben haben", heißt es im Gemeindebrief, in dem zum 31. Dezember 1997 auch die Verabschiedung der Gemeindeschwester Heidrun Brockmeyer bekannt gegeben wird. Die umfangreichen Sparmaßnahmen in der evangelischen Kirche, bedingt durch Austritte und andere finanzielle Einbußen, sind die Ursache für die Entlassungen.

„Zauberhaft" war die Arbeit von Stefan Köhler von Anfang an, seit er 1991 nach Praktikum und Honorar - Dasein in Walle fest angestellt worden war. Als aus Zeitgründen eine auswärtige Freizeit mit den Jugendlichen nicht möglich war, sorgte er mit der Gründung des "Zirkus Ritter Raschen" für Ferienspaß. Der Name wurde flugs von der Straße entliehen und erst später geändert: Das Gemeindehaus liegt an der Ritter - Raschen - Straße. Das Sommerferienprogramm "Zirkus" machte allen viel Spaß und Stefan Köhler konnte dabei seine eigenen "magischen" Fähigkeiten sinnvoll einbringen.

Wer ihn in seiner Wohnung besucht, findet sich in einer Wunderwelt der bunten kleinen Dinge wieder. Der Nippes der Plastikzeit steht, liegt, hängt hier in einem liebenswerten Durcheinander herum, von dem nur ein Zauberer wissen kann, von welcher Art Ordnung es ist. Fix hat Stefan Köhler den kleinen bunten Schaumstoffball, mit dem er seine Arbeit demonstriert, irgendwo aus diesem Chaos hervorgefischt: zusammendrücken, verschwinden lassen, hervorzaubern.

Kinder seien es vor allem, mit denen man besonders gut arbeiten könne: "Sie lassen sich noch verzaubern - das ist besonders schön!" Mit Jugendlichen wird es schwieriger - die wollen den Magier entlarven. Dabei ist es nicht der Stil des 33jährigen perfekte Zauberkunst vorzuführen, nur zu verblüffen: "Ich erzähle Geschichten vom kleinen Harry Houdini, meiner Fingerpuppe. Dabei beziehe ich die Kinder mit ein. Das fördert die Aufmerksamkeit." Spaß mache auch die Arbeit mit Senioren: "Die lassen sich bereitwillig wiederverzaubern", ist Dinos Erfahrung.

Ohne viel Brimborium, mit ganz wenig Gepäck, aber mit vielen Geschichten kommt er ins Haus, zum Kindergeburtstag, zum Jubiläum, zum Seniorennachmittag: "Zuviel Drumherum schadet nur, es lenkt vom Eigentlichen ab." Der Gummibandtrick, die vertauschten Hasen, die in der Schale zerteilte Banane sind nur Mittel zum Zweck einer ganz anderen Verzauberung: einmal abtauchen in eine Märchenwelt, lachen über gewollte und ungewollte Ungeschicklichkeiten des Zauberers.

Das ist der Weg, den der ehemalige Diakon aus Walle seit dem 1. Januar zu gehen versucht. "Die Konkurrenz in Bremen ist allerdings groß", weiß er. Ein Leben als freiberuflicher Zauberer ist alles andere als zauberhaft. Kontakte und Werbung sind überlebenswichtig. Firmen und Einrichtungen muß er anschreiben, sich selbst andienen. Preise? "Da bin ich beweglich, kommt ganz darauf an, was erwartet wird und wieviel Zeit ich investieren muß."

(aus: Bremer Kirchenzeitung vom 18.1.1998)

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